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Focus on: Anmeldeverfahren und Anmeldungen „Nicht immer ohne unerwünschte Nebenwirkungen – Einwendungen Dritter im Prüfungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt“, Legal500.de, 2023

Nicht immer ohne unerwünschte Nebenwirkungen – Einwendungen Dritter im Prüfungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt:

In seinem allgemeinen “Auftrags”-Statement verweist das Europäische Patentamt (EPA) darauf, dass es als das Patentamt für Europa stolz darauf ist, hochwertige Patente (im englischen „high-quality patents“) zu erteilen und effiziente Dienstleistungen zu erbringen und somit Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum zu fördern.

Das Europäische Patentamt wurde vielerorts als der Maßstab angesehen, da Recherchen und Patentprüfungen als qualitativ hochwertig erachtet wurden und sich auch Patentämter anderer Länder an diesen Recherchen und Prüfungen des Europäischen Patentamtes orientierten.

Auch wenn der “Auftrag” des Europäischen Patentamtes, qualitativ hochwertige Recherchen und Prüfungen durchzuführen, klar und eindeutig ist, ist die Qualität der Recherchen und der Prüfungen in den letzten Jahren häufiger von den Nutzern und Anmeldern des EPAs kritisiert worden.

Während sich beispielsweise die Zahl der erteilten Patente im Laufe der letzten Dekade von 65.670 im Jahr 2012 auf 109.799 erteilte Patente im Jahr 2022 erhöht hat (https://new.epo.org/en/statistics-centre#/customchart), berichten immer mehr Nutzer und Anmelder des EPAs, dass die Qualität der Recherchen und Prüfungen beim EPA über die letzten Jahre abgenommen hat.  

Qualität der Prüfung beim Europäischen Patentamt in der Diskussion

Dabei wurde der Rückgang in der Qualität der Recherchen und Prüfungen häufig mit dem Wunsch des Managements des EPAs in Verbindung gebracht, die Produktivität des Europäischen Patentamtes deutlich zu erhöhen, um eine schnelle Prüfung der Anmeldungen zu gewährleisten und somit dem zeitlichen Faktor der Prüfung der Patentanmeldungen eine größere Bedeutung zu geben.

Die mit dem Rückgang der Qualität verbundenen Nachteile für die Anmelder und Nutzer des Systems wurden vor ca. 5 Jahren bereits in einem offenen Brief an das Europäische Patentamt einiger größerer deutscher Patentanwaltskanzleien thematisiert, die ihre Kritik und Bedenken über die Entwicklung der Qualität in den Aufgaben des Europäischen Patentamts äußerten. Dabei wurde der Rückgang in der Qualität der Recherchen und Prüfungen durch das EPA u.a. auch mit den Änderungen in dem Incentivesystem der EPA-Prüfer in Verbindung gebracht und Ausdruck verliehen, dass diese Änderungen notwendigerweise zu einer verringerten Qualität der Recherche und Prüfungen führen müssten (https://patentblog.kluweriplaw.com/2018/06/14/leading-german-patent-law-firms-criticize-epo-examination-proceedings/).

Zusätzlich zu der Initiative der deutschen Kanzleien, welche leider nicht zu einem kontinuierlichen Dialog mit dem Management des EPAs führte, haben sich kürzlich eine Reihe von Unternehmen aus den verschiedensten Industrien zusammengeschlossen und die „Industry Patent Quality Charter”(IPQC) gegründet, welche von dem Patentabteilungsleiter der Siemens AG, Beat Weibel, geführt wird. Die IPQC schlägt ebenfalls spezifische Themen vor, die im Bereich der Recherche, der Prüfung, des Userfeedbacks, des Trainings und des Incentivesystems der Prüfer verbessert werden sollen, um der sinkenden Qualität entgegenzutreten (siehe u.a.: Concerns about deteriorating patent quality at the EPO – Kluwer Patent Blog (kluweriplaw.com).

Dass es einen dringenden Handlungsbedarf gibt, leitet das IPQC unter anderem aus Untersuchungen zu Widerrufsquoten von Patenten im Einspruchs- bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren ab. Betrachtet man die Widerrufsquote in inter-partes Verfahren der Beschwerdekammern als einen Maßstab für die Qualität der Erteilungen des Europäischen Patentamtes, stellt man fest, dass sich die Quote von erteilten europäischen Patentanmeldungen von 61,5 % im Jahr 2015 bis auf 70,6 % im Jahr 2021 erhöht hat, was einem prozentualen Anstieg von circa 15 % entspricht.

Gleichzeitig hat sich jedoch die Widerrufsquote der erteilten Patente durch die erstinstanzlichen Einspruchsabteilungen im gleichen Zeitraum von 37,5 % auf 28,8 % reduziert, d.h. die Einspruchsabteilungen (ebenfalls durch Prüfer der Prüfungsabteilungen besetzt) haben die erteilten Patente statistisch als deutlich „rechtsbeständiger“ angesehen als noch einige Jahre zuvor.

EPA2015201620172018201920202021
Erteilungsquote61,5 %64,2 %67,3 %71,8 %70,0 %71,1 %70,6 %
Widerrufsquote nach Einspruch37,5 %34,3 %33,4 %30,3 %30,5 %35,0 %28,8 %
Widerrufsquote nach Einspruchsbeschwerde41,0 %38,7 %39,2 %43,9 §45,5 %42,2 %46,0 %

Quelle: IPQC (https://patentblog.kluweriplaw.com/2023/02/14/quality-at-the-epo-one-modest-and-one-serious-proposal/)

Die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes hingegen haben im gleichen Zeitraum von 2015 bis 2021 einen höheren Anteil der beeinspruchten Patente in der Einspruchsbeschwerde widerrufen; während im Jahr 2015 41 % der erteilten Patente letztinstanzlich widerrufen wurden, waren dies im Jahr 2021 hingegen 46 % der Patente.

Diese erhöhten Widerrufsquoten der Beschwerdekammern legen demnach nahe, dass sich ein höherer Anteil der erteilten Patente als zuvor in inter-partes Verfahren als nicht rechtsbeständig erwiesen hat.

Trotz der nun verstärkten Initiative der Industrie, wie beispielsweise dem IPQC, diesem Trend des Qualitätsverlustes in der Prüfung des Europäischen Patentamtes entgegenzuwirken, scheint sich keine kurzfriste oder einfache Lösung des Problems abzuzeichnen, da dafür wohl weitreichende Änderungen in dem Vorgehen des Europäischen Patentamtes und den Vorgaben des Managements des EPAs notwendig wären.

Die Frage ist nun, wie am Wirtschaftsverkehr beteiligte Dritte mit der größeren Zahl von erteilten Patenten umgehen sollen. Natürlich könnten Dritte auf der einen Seite versuchen, der größeren Anzahl der (möglicherweise zu Unrecht) erteilten Patente durch mehr Einspruchsverfahren zu begegnen. Diese Einspruchsverfahren erfordern jedoch hohe zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen innerhalb der Unternehmen, die nicht jedem Unternehmen zur Verfügung stehen. Zudem würde dies auch leidglich der „Bekämpfung der Symptome“, nicht aber der Bekämpfung der Ursachen gleichkommen.

Eingaben Dritter im Prüfungsverfahren des EPAs

Gibt es weitere Maßnahmen, die jenen Unternehmen zur Verfügung stehen, die nicht in der Lage sind, zahlreiche Einspruchsverfahren zu stemmen, die gegebenenfalls aber verhindern wollen, dass auch qualitativ minderwertige Patente, die den Wettbewerb im geschäftlichen Verkehr in vielen Fällen dennoch erheblich stören könnten?

Zumindest einige Unternehmen versuchen, die Prüfer des EPAs durch sogenannte Eingaben Dritter auf Probleme in den zu prüfenden Anmeldungen bzw. auf relevanten Stand der Technik hinzuweisen. Die Einwendungen Dritter sind dabei nicht auf die Prüfungsverfahren von Anmeldungen beschränkt; Einwendungen Dritter können ebenfalls im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren eingereicht werden. Die Einwendungen Dritter in zweiseitigen Verfahren werden in diesem Beitrag jedoch nicht behandelt.

Gemäß Artikel 115 EPÜ kann in Verfahren vor dem Europäischen Patentamt nach der Veröffentlichung der europäischen Anmeldung jeder Dritte Einwendungen gegen die Patentierbarkeit der Erfindung erheben. Dabei kann der Dritte neben den klassischen Einspruchsgründen der unzulässigen Erweiterung, der unzureichenden Offenbarung und der mangelnden Neuheit bzw. erfinderischen Tätigkeit und den Patentierungsausschlüssen (welche Einspruchsgründe nach dem EPÜ sind) zudem ebenfalls die mangelnde Klarheit (Art. 84 EPÜ) des beanspruchten Gegenstandes rügen. Die Einreichung der Einwendungen Dritter beim Amt ist gebührenfrei.

Der Dritte ist dabei nicht gezwungen, seine Identität preiszugeben, denn die Einwendungen Dritter können sowohl anonym als auch beispielsweise im Namen eines Strohmannes (beispielsweise einer Kanzlei) eingegeben werden. Für eine elektronische Einreichung stellt das Europäische Patentamt eine Online-Eingabemaske bereit, über die auch eine anonyme Einreichung möglich ist (http://tpo.epo.org/tpo/app/form/?locale=de).

Die Eingaben Dritter müssen in einer der Amtssprachen des Europäischen Patentamtes eingereicht werden und sind zu begründen (Regel 114(1) EPÜ). Dabei kann der Dritte auf jeglichen Stand der Technik zurückgreifen, beispielsweise auch auf offenkundige Vorbenutzungen. Die Einwendungen Dritter werden Teil des öffentlichen Registers. Jedoch ist der Dritter nicht am Verfahren beteiligt und kann folglich auch keine Anträge im Verfahren stellen und wird auch von Amts wegen nicht über den weiteren Verfahrensverlauf informiert.

Das Amt leitet die Einwendungen Dritter an den Anmelder bzw. den Patentinhaber weiter, der dazu Stellung nehmen kann (Regel 114(2) EPÜ).

Was auf den ersten Blick wie ein geeignetes Mittel für jede Situation aussieht, um den Prüfer durch Argumente und relevanten Stand der Technik in der Prüfung der Anmeldung zu „unterstützen“, ist jedoch, wie nachfolgend noch aufgezeigt werden wird, nicht in jeder Situation empfehlenswert und zum Vorteil der Dritten.

Nach Auffassung des Autors, gestützt auf persönliche Erfahrungen, wird mit den Einwendungen Dritter beim Europäischen Patentamt sehr unterschiedlich umgegangen, abhängig einerseits vom Status des jeweiligen Prüfungsverfahrens und andererseits auch vom technischen Gebiet der Anmeldung.

Grundsätzlich lässt sich sicherlich feststellen, dass es ratsam ist, Einwendungen Dritter so früh wie möglich in das Prüfungsverfahren einzubringen. Idealerweise sollten Einwendungen Dritter bereits zu einem solch frühen Zeitpunkt des Prüfungsverfahrens getätigt werden, dass der zuständige Prüfer die Argumente und/oder den Stand der Technik bereits in einem ersten Prüfungsbescheid berücksichtigen kann. Hier hat die Erfahrung gezeigt, dass die Prüfer die eingereichten Argumente und den Stand der Technik in ihrer Prüfung berücksichtigen und auch entsprechende Beanstandungen übernehmen bzw. erheben.

Häufig werden entsprechende Eingaben Dritter jedoch erst zu einem viel späteren Zeitpunkt im Prüfungsverfahren getätigt, regelmäßig erst dann, wenn der Prüfer bereit ist, einen bestimmten Gegenstand als patentfähig anzusehen oder die Patentfähigkeit zumindest in Aussicht gestellt hat, sofern bestimmte Änderungen noch in den Ansprüchen eingefügt werden.

Zu diesem Zeitpunkt ist der Umgang der Prüfer mit den Einwendungen Dritter und den erhobenen Beanstandungen sehr unterschiedlich. Es besteht aber eine Tendenz, dass Beanstandungen, sofern diese nicht klar die mangelnde Neuheit oder eine sehr offensichtliche unzulässige Erweiterung betreffen, nur noch sporadisch vom Prüfer aufgegriffen werden. Dies mag auch mit dem oben bereits erwähnten Druck auf die Prüfer des Europäischen Patentamtes zu tun haben, die Recherche und Prüfung in kürzerer Zeit durchzuführen, so dass die Prüfer sehr ungern das Prüfungsverfahren zu diesem Zeitpunkt noch einmal neu aufrollen möchten und erneut substanziell Zeit in die Prüfung investieren.

Noch weniger scheinen Einwendungen Dritter Berücksichtigung durch die Prüfungsabteilung zu finden, sofern bereits die Mitteilung nach Regel 71(3) EPÜ ergangen ist, in der die Prüfungsabteilung dem Anmelder die Erteilungsabsicht mitgeteilt hat.

Insbesondere bei Patentanmeldungen im pharmazeutischen Bereich, bei denen die Anmeldungen auch vermarktete Arzneimittel abdecken können, die generischem Wettbewerb ausgesetzt sein können und bei denen zum Teil mehrere Dritte die Patenterteilung verhindern möchten, drängt sich häufig der Eindruck auf, dass die Prüfungsabteilung sich nicht mehr (oder nicht im Detail) mit den Argumenten auseinandersetzen möchte und eine mögliche Auseinandersetzung mit diesen Argumenten der Dritten auf ein möglicherweise nachfolgendes Einspruchsverfahren verlagert werden soll.

Auch wenn ein solches Verhalten vielleicht vor dem Hintergrund der Incentivierung-Regeln der Prüfer zunächst erklärbar erscheint, trägt es nicht der Verantwortung und den Konsequenzen Rechnung, die im wirtschaftlichen Verkehr durch eine Patenterteilung ausgelöst werden können. Ein solches (ggfls. zu Unrecht) erteiltes Patent kann in der jeweiligen Industrie zu erheblichen Verwirrungen und Schäden bei Dritten führen, denn diese Patente können natürlich, ebenso wie alle anderen Patente, in Klagen oder einstweiligen Maßnahmen gegen den Wettbewerb des Patentinhabers eingesetzt werden.

Patent erteilt – Was nun?

Während vor deutschen Verletzungsgerichten zwar regelmäßig gefordert wird, dass ein Verfügungspatent in einem einstweiligen Verfügungsverfahren einen erforderlichen gesicherten Rechtsbestand dann aufweist, wenn das Schutzrecht bereits ein kontradiktorisches erstinstanzliches Verfahren überstanden hat und nur in Sonderfällen von diesem Grundsatz abgewichen werden kann, können auch bereits Einwendungen Dritter im Prüfungsverfahren dazu führen, dass eine Patenterteilung in einem ex-parte Verfahren mit Einwendungen Dritter als in einem zweiseitigen (inter-partes) Verfahren ergangenen Entscheidung gleichsteht (siehe u.a. LG München, 21 O 8913/20, GRIR-RS 2020, 31319).

Beispielsweise wurde im vergangenen Jahr in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf entschieden, dass ein unter Beteiligung Dritter durchgeführtes Erteilungsverfahren einer Entscheidung in einem zweiseitigen Einspruchsverfahren gleichstehen kann und ein für die Beurteilung des Rechtsbestands durch ein Verletzungsgericht vergleichbares Gewicht erlangen kann, so dass in einer solchen Konstellation regelmäßig ein Unterlassungsgebot auszusprechen ist (siehe LG Düsseldorf, 4 b O 54/22, 2. Leitsatz, Satz 1). In dem dort zugrundeliegenden Fall war das Verfügungspatent von der Prüfungsabteilung erteilt worden, obwohl zahlreiche Dritte Beanstandungen gegen die Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes erhoben hatten, die auf dem Einspruchsbeschwerdeverfahren zu dem Stammpatent des Verfügungspatentes beruhten. Das Verfügungspatent und Stammpatent waren mit nahezu identischen Ansprüchen erteilt worden. Der Unterschied bestand lediglich darin, dass das Stammpatent auf einer sogenannten „consisting of“ Sprache beruhte, während das Verfügungspatent in diesem Zusammenhang „comprising“ verwendete. Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes hatte das Stammpatent aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit widerrufen, die Beschwerdekammer sah den beanspruchten Gegenstand bereits als unzulässige Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Anmeldung an.

Die Kammer des Landgerichts Düsseldorf lehnte im zitierten Verfahren 4 b O 54/22 zwar den Verfügungsantrag der Patentinhaberin ab, da sie den Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht als ausreichend gesichert ansah. Aber die zuständige Kammer bezog sich bei ihrer Prognose zum (mangelnden) Rechtsbestand des Verfügungspatents insbesondere auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung zum Stammpatent, die dieses wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit widerrufen hatte und die Kammer keine offensichtliche Fehlerhaftigkeit dieser Entscheidung erkennen konnte. Aus diesem Grund hat die Kammer des Landgerichts abgelehnt, den Rechtsbestand des Verfügungspatents bereits allein aufgrund des Erteilungsverfahrens unter Beteiligung Dritter anzuerkennen.

Während in Deutschland die zuständigen Gerichte eine eigene Prognose zum Rechtsbestands in den einstweiligen Verfügungsverfahren durchführen, gibt es auch viele andere Mitgliedstaaten des EPÜ, in denen die zuständigen Gerichte im einstweiligen Rechtsschutz davon ausgehen, dass ein vom Europäischen Patentamt erteiltes Patent per se erst einmal als rechtsbeständig anzusehen ist und der Rechtsbestand in diesen (einstweiligen) Verfahren nicht oder nur oberflächlich diskutiert wird.

Dieses Beispiel verdeutlicht, warum Beschwerden von Dritten an das Qualitätsmanagement des EPAs, dass ihre entsprechenden Einwendungen Dritter von der Prüfungsabteilung keine oder nicht genügend Beachtung gefunden haben, auch Konsequenzen für mögliche nachfolgende einstweilige Verfügungsverfahren haben können.

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass Dritte, die Einwendungen Dritter gegen die Patentierbarkeit, von denen sie annehmen, dass diese von der Prüfungsabteilung nicht berücksichtig worden sind, eingegeben haben, eine Beschwerde gegen das Verhalten der Prüfungsabteilung an das Qualitätsmanagement des Europäischen Patentamtes richten. Erfahrungsgemäß wird auf diese Beschwerden durch das Qualitätsmanagement des EPAs geantwortet, dass die Prüfungsabteilung die Einwendungen Dritter berücksichtigt habe. Folglich wird die Situation des Dritten durch die Beschwerde nicht verbessert, sondern im Gegenteil wird bestätigt, dass die vorgebrachten Argumente sehr wohl im Prüfungsverfahren berücksichtigt worden seien, aber offensichtlich einer Patenterteilung nicht im Weg gestanden hätten. Somit wird festgehalten, dass die Entscheidung sachlich einer Entscheidung in einem zweiseitigen Verfahren gleichstehen kann. Folglich kann mit einer solchen Beschwerde mehr Schaden angerichtet werden, als dass sie zu helfen vermag.

Am Ende ist die Qualität der Prüfung entscheidend

Die obigen Beispiele zeigen eindrücklich, dass die Qualität der Prüfung durch die Prüfungsabteilungen des Europäischen Patentamtes von enormer Wichtigkeit nicht nur für die Anmelder ist, die sich im Zweifelsfall ebenfalls darauf verlassen können müssen, dass ein vom Europäischen Patentamt erteiltes Patent sich auch (zumindest gegenüber dem Amt bekannten Stand der Technik) als rechtsbeständig erweisen kann / wird. Ebenso müssen Dritte darauf vertrauen, dass das Europäische Patentamt alles in seiner Macht Stehende unternimmt, um eine ungerechtfertigte Patenterteilung zu verhindern.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Einreichungen von Einwendungen Dritter im Prüfungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt sorgfältig abgewogen werden müssen. Den Vorteilen, dass Einwendungen Dritter zu gewünschten Einschränkungen im Anspruchsgegenstand führen können oder gar eine Erteilung des Patents gänzlich verhindert werden kann, stehen Nachteile gegenüber, dass durch die Einwendungen Dritter ein erteiltes Patent als „stärker“ angesehen werden kann und dem Patentinhaber die Durchsetzung in Verletzungsverfahren erleichtert werden kann. Auch kann der Anmelder durch eine Einwendung Dritter darauf aufmerksam gemacht werden, dass Dritte offensichtlich Interesse an bzw. Probleme mit dem beanspruchten Gegenstand haben, und so die Einreichung von Teilanmeldungen auslösen können, die der Patentinhaber ohne die Eingabe Dritter vielleicht nicht eingereicht hätte.

Ebenso sollte sorgfältig abgewogen werden, welche Einwände bzw. Dokumente in einer Einwendung Dritter verwendet werden. Einwände, die keine Einspruchsgründe sind (z.B. mangelnde Klarheit gemäß Art. 84 EPÜ) können sicherlich bedenkenlos in einer Einwendung Dritter verwendet werden, da diese in einem möglichen späteren Einspruchsverfahren keine Berücksichtigung finden. Im Zweifelsfall kann es sich aber empfehlen, Argumente und Dokumente erst in einem späteren Einspruchsverfahren vorzubringen, da ein Einsprechender im Gegensatz zum Dritten Partei des Verfahrens ist und die Vorteile eines Verfahrensbeteiligten z.B. durch Stellung von Anträgen nutzen kann und somit einen aktiven Einfluss auf das Verfahren hat.

In jedem Fall sollten die möglichen positiven, wie negativen Auswirkungen von Einwendungen Dritter vor deren Einreichung für jeden Einzelfall sorgfältig diskutiert und abgewogen werden, um für den Mandanten die geeignete Strategie festzulegen und die besten Ergebnisse zu erzielen.

Autoren

Dr. Derk Vos

Partner

Patentanwalt

European Patent Attorney

EPG-Vertreter

Diplom-Chemiker