Offener Brief an das Europäische Patentamt: Qualität bei Patentprüfungen gefährdet
In einem offenen Brief an das Europäische Patentamt kritisieren vier große Patentanwaltskanzleien aus München die aktuellen Bedingungen der amtlichen Patentprüfungen und sehen deren Qualität gefährdet. Der Grund: Schnellere Patentprüfungen haben zwar die Produktivität des Europäischen Patentamts verbessert, sie beeinträchtigen aber die Qualität der erteilten Patente. Der bislang zuverlässige Patentschutz für Erfinder und Unternehmen ist damit in ernster Gefahr, warnen die Kanzleien, die für Mandanten mehrere zehntausend Patente verwalten und bearbeiten.
München, 14. Juni 2018: Die vier Münchner Patentanwaltskanzleien Grünecker, Hoffmann Eitle, Maiwald und Vossius & Partner wenden sich im Schulterschluss mit einem offenen Brief an das Europäische Patentamt in München. Ihr Beweggrund: Das Amt hat sich in den vergangenen Jahren vor allem darauf konzentriert, die Prüfungsverfahren zu beschleunigen. Damit fehlt den Patentprüfern jetzt aber oft die Zeit, die eingereichten Patentanmeldungen rechtssicher zu prüfen. Erfindern und Unternehmen, die sich bislang auf den guten Ruf des Europäischen Patentamtes und die Qualität der vom Amt erteilten Patente verlassen konnten, drohen damit größere rechtliche und wirtschaftliche Unsicherheiten. Die Kanzleien erachten Effizienz und Wirtschaftlichkeit in den Abläufen des Patentamts als wichtig und richtig, aber nicht auf Kosten der hoheitlichen Aufgabe, einen zuverlässigen Patentschutz zu gewährleisten. Sie fordern die Leitung des Patentamtes auf, sich wieder auf seine Kernaufgabe zu besinnen und eine gründliche und rechtssichere Bearbeitung der Patentanmeldungen zu ermöglichen. Die Warnung der Kanzleien schließt sich der Petition an, mit der Anfang März 924 Prüferinnen und Prüfer des Europäischen Patentamts die Rahmenbedingungen kritisiert hatten.
Risiken liegen auf der Hand
Das Europäische Patentamt, das sich im Wesentlichen durch Gebühren der Patentanmelder finanziert, erwirtschafte aktuell sogar hohe Überschüsse, kritisieren die Patentanwältinnen und Patentanwälte und fordern, diese Mittel einzusetzen, um die lange Zeit sehr hohe Qualität der erteilten Patente weiter aufrecht zu erhalten. Zu oberflächliche Analysen, die das Amt durch seine einseitige Ausrichtung auf Produktivität in Kauf nimmt, entwerten das Prüfungsverfahren und den Akt der Erteilung und schwächen somit den Patentschutz. Die Auswirkungen einer solchen Praxis werden jahrzehntelang zu spüren sein, befürchten die Patentanwältinnen und Patentanwälte. Erfinder und Unternehmen sind einerseits darauf angewiesen, dass das Patentamt ihre Innovationen bestmöglich absichert, der Markt ist andererseits darauf angewiesen, Schutzrechte richtig einschätzen zu können und vor Patentdickichten geschützt zu werden. Eine Verunsicherung trifft somit alle Beteiligten. Insgesamt kommen die Patentanwältinnen und Patentanwälte zu dem Schluss: „Für uns sind die hohen Überschüsse des Europäischen Patentamtes ein Indikator dafür, dass eine weitere, problembehaftete Steigerung der Produktivität gerade nicht notwendig ist.“
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