Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in der am 3. November 2020 verkündeten Entscheidung X ZR 85/19 entschieden, dass eine zweite Patentverletzungsklage nicht automatisch durch Rechtshängigkeit einer ersten Verletzungsklage oder Rechtskraft eines Urteils aufgrund der Verletzung desselben Patents in einem früheren Rechtsstreit zwischen denselben Parteien unzulässig wird. Die entscheidende Frage sei vielmehr, ob die dem Beklagten vorgeworfene Verletzungshandlung dieselbe oder eine andere Handlung als in der ersten Verletzungsklage ist.
Das fragliche Patent (EP 1 373 672) betrifft einen Fenster- oder Türflügel, welcher einen Profilrahmen mit einem Falz, einem Begrenzungssteg und einer Klebeschicht umfasst.
Ein früherer Rechtsstreit zwischen den Parteien hatte zu einem mittlerweile rechtskräftigen Urteil geführt, das der Beklagten untersagte, derartige Profilrahmen zur Verwendung in Tür- oder Fensterflügeln in Deutschland anzubieten ohne einen blickfangmäßigen Hinweis darauf, dass die Profilrahmen nicht ohne Zustimmung der Klägerin verwendet werden dürfen „wenn die Klebstoffschicht an den Begrenzungssteg heranreicht“.
In der zweiten Verletzungsklage, die jetzt vor dem BGH verhandelt wurde, machte die Klägerin erstmals geltend, die Beklagte verletze das Patent mittelbar, weil sie Fensterprofilrahmen anbiete, welche für eine Verwendung in den beanspruchten Fenster- oder Türflügeln geeignet seien. Es stellte sich die Frage der Unzulässigkeit dieser zweiten Klage aufgrund der Rechtskraft des ersten Urteils.
Der BGH entschied, dass erstens § 145 PatG (i.e., die darin festgeschriebene Konzentrationsmaxime) der zweiten Klage nicht entgegenstand, weil die zweite Klage nicht dieselbe oder eine ähnliche Verletzungshandlung auf Grundlage eines anderen Patents angegriffen hat, sondern vielmehr eine ähnliche Verletzungshandlung auf der Grundlage desselben Patents. Aus dem gleichen Grund mache der Rechtsgrundsatz „ne bis in idem“ die zweite Klage nicht unzulässig. Für eine analoge Anwendung von § 145 PatG fehle es darüber hinaus an einer planwidrigen Regelungslücke.
Somit wurde die Klage für zulässig befunden, obwohl sie auf demselben Patent beruhte und zwischen denselben Parteien ausgetragen wurde wie die erste Klage. Sie wurde jedoch in der Sache zurückgewiesen, da das Gericht keine mitteilbare Patentverletzung erkannte.
Es ist hier von Interesse, dass der BGH dem Urteil trotzdem einen Leitsatz voranstellte, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Zulässigkeit einer zweiten Patentverletzungsklage die Rechtshängigkeit einer auf dasselbe Patent gestützten ersten Verletzungsklage oder die Rechtskraft eines in einem vorherigen Verletzungsrechtsstreits zwischen den Parteien ergangenen, auf die Verletzung desselben Patents gestützten Urteils entgegenstehen kann (Bestätigung von X ZR 111/09).