In einem Beschluss vom 14. Januar 2021 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren (Az. 37 O 32/21) hat das Landgericht München I unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 Amazon die Deaktivierung eines Verkäuferaccounts und damit zusammenhängender Maßnahmen, wie die Einbehaltung des Verkäuferguthabens, unter Berufung auf Amazons Marktmacht untersagt.
In seinen AGB behält sich Amazon das Recht vor, den Zugang von Verkäufern ohne Angabe eines Grundes unter Einhaltung einer Frist von 30 Tagen, oder im Falle eines wesentlichen Verstoßes (nach erfolgloser Aufforderung, den Verstoß zu beseitigen) fristlos, einzuschränken, auszusetzen oder zu kündigen. Im vorliegenden Fall hatte Amazon mit der Begründung, die Antragstellerin habe „eventuell“ unzulässigerweise eine Vergütung für Kundenrezensionen angeboten, deren Verkäuferaccount gesperrt, ohne dass die Antragstellerin mangels weiterer Angaben durch Amazon die Möglichkeit gehabt hätte, diesem Vorwurf entgegenzutreten.
Unter Berufung auf den Fallbericht des Bundeskartellamts vom 17.7.2019 zu den Amazon-Nutzungsbedingungen sowie eine Pressemitteilung der EU-Kommission vom 10.11.2020 bejaht das Landgericht eine marktbeherrschende Stellung von Amazon im Onlinehandel über Internetplattformen. Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung ist es gemäß § 19 GWB (bzw. Art. 102 AEUV in europäischen Sachverhalten) untersagt, die Marktbeherrschung missbräuchlich auszunutzen. Als Regelbeispiele erwähnt § 19 Abs. 2 GWB u.a. die missbräuchliche Behinderung oder Diskriminierung von anderen Unternehmen sowie das Verlangen unterschiedlicher Preise oder sonstiger Bedingungen ohne sachlich rechtfertigenden Grund.
Im vorliegenden Fall kam das Landgericht zum Ergebnis, dass Amazon die Verkäuferin beim Anbieten ihrer Waren unbillig behindert (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB), da Amazon ihr keine angemessene Möglichkeit eingeräumt hat, auf die Vorwürfe zu reagieren. Folglich beschränkte das Landgericht Amazons Entscheidungsfreiheit im Hinblick auf die Eingehung oder Beendigung von Geschäftsbeziehungen und verpflichtete Amazon zu diskriminierungsfreiem und sachlich begründetem Verhalten, wie z.B. einer konkreten Begründung des vorgeworfenen Verhaltens, um der Antragstellerin eine tatsächliche Erwiderung hierauf und dementsprechend die Ausräumung der Vorwürfe zu ermöglichen.
Für Verkäufer auf Amazon Marketplace bedeutet dies, dass nicht jede Sperrung des eigenen Verkäuferaccounts widerstandslos hinzunehmen ist. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob Amazons Verhalten ggf. als missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung qualifiziert werden und hiergegen gerichtlicher Rechtsschutz beantragt werden kann. Gleichzeitig muss in einem solchen Fall schnell gehandelt werden, da einstweiliger Rechtsschutz nur in engen zeitlichen Grenzen erfolgreich beantragt werden kann.