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Umsetzung der Arzneimittelstrategie für Europa und des Aktionsplans für geistiges Eigentum – Teil 2

Neben der Arzneimittelstrategie für Europa[1] hat die Europäische Kommission im November 2020 einen neuen Aktionsplan für geistiges Eigentum[2] beschlossen, welcher die Unternehmen beim Schutz ihres geistigen Eigentums unterstützen, und mit weiteren Maßnahmen zur Förderung der Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums durch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und zur besseren Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums beitragen soll.

Mit den Änderungsvorschlägen zum Unterlagenschutz in den Vorschlägen zur neuen Arzneimittelgesetzgebung befasste sich der erste Beitrag der dreiteiligen Beitragsreihe. Der vorliegende zweite Beitrag thematisiert die geplanten Änderungen hinsichtlich ergänzender Schutzzertifikate für Arzneimittel.

Ergänzende Schutzzertifikate

Die Dauer der vor einer Markteinführung zwingend erforderlichen Zulassungsverfahren für Arzneimittel ist in der Regel sehr lang, sodass erst einige Jahre nach der Patentanmeldung eines neuen Wirkstoffs mit dem Verkauf begonnen werden kann. In der Regel ist daher bereits ein großer Teil der Patentschutzdauer abgelaufen, bevor ein Medikament zum Verkauf zugelassen wird. Damit dennoch eine Amortisation der hohen Forschungs- und Entwicklungskosten möglich ist und sich die Suche nach neuen Wirkstoffen lohnt, hat der Gesetzgeber mit dem Unterlagenschutz und der Möglichkeit der Beantragung eines ergänzenden Schutzzertifikats weitere Schutzkonzepte zur Verfügung gestellt. Diese sind allerdings in unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen verortet. Der sog. Unterlagenschutz unterfällt der Arzneimittelstrategie, die Änderungen zu ergänzenden Schutzzertifikaten dem Aktionsplan für geistiges Eigentum. Während der Unterlagenschutz den Zugang von Generikaherstellern zu den Zulassungsunterlagen des Referenzarzneimittels um eine vom Gesetzgeber festgelegte Zeit verzögert, verlängern ergänzende Schutzzertifikate den Patentschutz effektiv um bis zu fünf Jahre. und -ggf.- sechs Monate.

Die Europäische Kommission legte am 27. April 2023 zwei Verordnungsvorschläge zu ergänzenden Schutzzertifikaten für Arzneimittel vor. [3] Damit sollen Investitionen in neue Wirkstoffe, deren Zulassung lange Entwicklungszeiten erfordert, gefördert und ein transparentes, effizientes und wettbewerbsförderndes SPC-System geschaffen werden.[4]

Status Quo

Ergänzende Schutzzertifikate (oder auch SPCs, Supplementary Protection Certificates) sind derzeit in der Verordnung (EG) 469/2009 geregelt. Gemäß Art. 5 der Verordnung gewähren sie denselben Schutz wie das dem SPC zugrunde liegende Patent, allerdings gemäß Artikel 4 der Verordnung nicht für einzelne Patentansprüche, sondern nur für ein Erzeugnis in Form eines in der EU zugelassenen Arzneimittels (patentierter Wirkstoff oder eine Wirkstoffkombination), und zwar für bis zu fünf weitere Jahre nach Ablauf des Patentschutzes (sowie einer zusätzlichen, sechsmonatigen Verlängerung für pädiatrische Arzneimittel nach Art. 36 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006). Sie sind aktuell nur für pharmazeutische Patente vorgesehen und gewähren daher auch nur einen zweckgebundenen Schutz im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Die Laufzeit des Zertifikats bestimmt sich nach dem Zeitraum zwischen der Patentanmeldung und der Zulassung des Arzneimittels abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren, begrenzt auf maximal fünf Jahre, vgl. Art. 13 Abs. 1 und 2 VO 496/2009.

Ergänzende Schutzzertifikate werden, auch wenn sie auf einem europäischen (Einheits-)Patent beruhen, immer von den nationalen Patentämtern erteilt, in Deutschland also vom DPMA, vgl. § 49a PatG. Es gibt also bisher kein einheitliches SPC, sondern auch bei Einheitspatenten nur nationale SPC. Zuständig für Streitigkeiten über ein SPC auf der Grundlage eines europäischen (Einheits-)Patents ist jedoch nach Art. 32 EPGÜ grundsätzlich (soweit kein Opt-out erklärt wurde) das mit Wirkung zum 1. Juni 2023 neu geschaffene Einheitliche Patentgericht (EPG).

Vorgeschlagene Neuregelung und das Einheitsschutzzertifikat

Zur Vereinfachung des Systems der Erteilung von Schutzzertifikaten hat die Kommission die Schaffung eines Einheits-SPC[5] sowie die Einführung einer zentralisierten Anmeldepflicht für SPC für europäische (Einheits-)Patente[6] vorgeschlagen. Nationale Anmeldungen von Schutzzertifikaten sollen dann nur noch für nationale Patente möglich sein. Für Einheits-SPC soll eine einheitliche Prüfstelle geschaffen werden, die ihrerseits nationale Behörden in das Prüfungsverfahren einbeziehen kann. Diese Funktion soll dem Vorschlag zufolge das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum übernehmen.

Wie die bereits bestehenden Schutzzertifikate, soll auch das Einheits-SPC denselben Schutz gewähren wie das zugrunde liegende Patent, vgl. Art. 5 Abs. 1 der vorgeschlagenen Einheits-SPC-Verordnung. Die Laufzeit des einheitlichen Schutzzertifikats soll wie bei der bestehenden Regelung für nationale Schutzzertifikate bis zu fünf Jahre betragen und somit eine Verlängerung des Patentschutzes auf 25 Jahre ermöglichen. Die Berechnung soll, wie gemäß der bestehenden Regelung nach Art. 10 Abs. 1 und 2 der vorgeschlagenen Einheits-SPC-Verordnung erfolgen. Auch die Laufzeit der nationalen SPCs soll nicht geändert werden und die bereits erwähnte bestehende sechsmonatige Verlängerungsregelung für pädiatrische Arzneimittel soll weiterhin für das Einheits-SPC gelten.[7]

Ein weiterer Aspekt dieses Erteilungskonzepts soll die Möglichkeit der kombinierten Anmeldung nach Art. 39 C Entwurfs-Einheits-SPC-Verordnung sein. Danach soll es möglich sein, in einem einzigen Prüfungsverfahren ein einheitliches SPC für alle Mitgliedstaaten, in denen das Grundpatent einheitliche Wirkung hat, und nationale Schutzzertifikate für die übrigen Mitgliedstaaten zu erlangen.

Während das Parlament an den Kommissionsvorschlägen zur Neuregelung der Arzneimittelgesetzgebung umfangreiche Änderungen vorgenommen hat, hat es den Vorschlag zur Schaffung des Einheits-SPC und die Überarbeitung der bestehenden VO mit nur wenigen, meist formalen (redaktionellen) Änderungen angenommen.[8]

SPC-Squatting

Nach Art. 6 VO 469/2009 ist es derzeit unter Vorliegen bestimmter Konstellationen für einen Patentinhaber möglich, ein Schutzzertifikat zu beantragen, auch wenn er selbst nicht Inhaber der arzneimittelrechtlichen Zulassung ist – und zwar auch gegen den Willen des Zulassungsinhabers. Die bestehenden Unklarheiten sollen nun durch die Einfügung eines Art. 6 Abs. 2 der beiden Verordnungsvorschläge[9] der die Zustimmung des Zulassungsinhabers zur Erteilung des Schutzzertifikats vorsieht, geschlossen werden.

Weiterer Ablauf

Es bleibt nun abzuwarten, ob es im weiteren ordentlichen Gesetzgebungsverfahren bei den beiden Fassungen der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 bleibt.


[1] Zum Vorschlag der Kommission und der europäischen Arzneimittelstrategie verweisen wir auf frühere Blogbeiträge (4. Januar 2021 und 8. März 2023) sowie Stief/Grabow: Quo vadis Arzneimittelrecht – ein Überblick zur Überarbeitung der EU-Arzneimittelvorschriften, PharmR 2023, 317 ff.

[2] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Das Innovationspotenzial der EU optimal nutzen – Aktionsplan für geistiges Eigentum zur Förderung von Erholung und Resilienz der EU, COM(2020) 760 final.

[3] COM(2023) 222 final und COM(2023) 231 final, nachfolgend auch „Verordnungsvorschläge“.

[4] Commission Staff Working Document, Impact Assessment Report, SWD(2023) 118 final, 3, 4.

[5] Vorschlag der Kommission COM(2023) 222 final.

[6] Art. 20 ff. COM(2023) 231 final.

[7] vgl. Art. 20 Abs. 3 COM/2023/222 final.

[8] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2024-0097_DE.pdf.

[9] Vorschlag der Kommission COM(2023) 222 final und COM(2023) 231 final.

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