Vor einigen Tagen veröffentlichte das Europäische Patentamt (EPA) Qualitätskennzahlen auf einem eigens dafür geschaffenen Qualitäts-Dashboard (siehe: https://www.epo.org/en/about-us/services-and-activities/quality/quality-dashboard). Diese Kennzahlen ergänzen die Qualitätsberichte, die das EPA bereits seit mehreren Jahren veröffentlicht (siehe: https://www.epo.org/en/about-us/transparency-portal/organisational).
Veröffentlichte Kennzahlen
Die Kennzahlen auf dem Qualitäts-Dashboard betreffen die Recherche (und zugehörige schriftliche Meinungen) sowie das Prüfungsverfahren. Die Basis für die ermittelten Kennzahlen sind einerseits stichprobenartig, d.h. per Zufallsprinzip, ausgewählte Patentanmeldungen, die im Jahr 2023 vom Direktorat für Qualitätssicherung hinsichtlich möglicher Qualitätsmängel untersucht wurden, und andererseits Ergebnisse einer Nutzerbefragung für die Jahre 2022/2023.
Im Detail werden folgende Kennzahlen für die Recherche veröffentlicht:
- Schriftliche Meinungen zur Recherche, in denen die Bewertung der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit fehlerhaft war: 6 %
- Recherchen, für die relevantere Dokumente aus dem Stand der Technik gefunden werden konnten: 4%
- Nutzer, die die Rechercheprodukte als gut oder sehr gut bewerten: 80%
Dabei basieren die Kennwerte unter a) und b) auf einer Stichprobe von 802 Rechercheprodukten, die vom Direktorat für Qualitätssicherung ausgewertet wurde. Der Kennwert unter c) stammt aus der erwähnten Nutzerbefragung.
Für das Prüfungsverfahren werden folgende Kennzahlen angegeben:
- Erteilungen, bei denen die Bewertung der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit fehlerhaft war: 7,9 %
- Erteilungen mit unzulässigen Erweiterungen: 5%
- Nutzer, die die Prüfungsprodukte als gut oder sehr gut bewerten: 78%
Dabei basieren die Kennwerte unter a) und b) auf einer Stichprobe von 1050 Erteilungen, die vom Direktorat für Qualitätssicherung ausgewertet wurde. Der Kennwert unter c) stammt aus der erwähnten Nutzerbefragung.
Für Einspruchs- und Beschwerdeverfahren werden auf dem Qualitäts-Dashboard derzeit keine Kennzahlen veröffentlicht. Dies wird allerdings für die Zukunft in Aussicht gestellt.
Weiterführende Gedanken und möglicher Mehrwert für Anmelder
Die Tatsache, dass das EPA über die Qualität seiner Arbeit und zugehörige Defizite transparent berichtet, ist äußerst begrüßenswert. Dabei deutet das Zahlenwerk auf den ersten Blick auf ein gutes oder zumindest zufriedenstellendes Qualitätsniveau hin. Das gilt zumindest aus Sicht des EPA, das auf dem Qualitäts-Dashboard auch Zielwerte für das Jahr 2024 veröffentlicht. Demnach liegt der Anteil an Recherchen, für die relevantere Dokumente aus dem Stand der Technik gefunden werden konnten, knapp im Plan (derzeit 4%, Ziel: <4%). Gleiches gilt für den Anteil der Erteilungen mit unzulässigen Erweiterungen (derzeit 5%, Ziel: < 5%). Den Anteil der schriftlichen Meinungen zur Recherche, in denen die Bewertung der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit fehlerhaft ist, möchte das EPA von 6% auf 5% senken. Die größte Zielabweichung gibt es bei den Erteilungen, bei denen die Bewertung der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit fehlerhaft war. Hier möchte das EPA ausgehend von derzeit 7,9% für das Jahr 2024 einen Wert von <5% erreichen.
Dennoch fällt bei näherer Betrachtung der Kennzahlen auf, dass der Anteil der Erteilungen, bei denen die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit fehlerhaft bewertet wurde, höher (!) ist als der Anteil der Rechercheprodukte, bei denen Neuheit oder erfinderische Tätigkeit fehlerhaft eingeschätzt wurde. Während 6% oder ungefähr jedes 17. Rechercheprodukt einen solchen Fehler aufweist, steigt dieser Anteil auf 7,9 % oder jede 13. Erteilung. Vorausgesetzt, dass die Qualitätskennzahlen statistisch sauber ermittelt wurden, würde das bedeuten, dass im Prüfungsverfahren tendenziell neue Fehler bei der Bewertung der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit hinzukommen, anstatt dass Fehler aus der Recherchephase während des Prüfungsverfahrens korrigiert werden. Das wäre sehr bedauernswert, zumal das Prüfungsverfahren auf den Schultern einer dreiköpfigen Prüfungsabteilung ruht und einen (zumindest schriftlichen) Austausch mit dem Anmelder vorsieht.
Doch was kann ein Anmelder aus den Qualitäts-Kennzahlen lernen?
Zunächst einmal ist ein Rückschluss von der statistischen Gesamtbetrachtung auf einen Einzelfall aus mathematischer Sicht unzulässig. Dennoch hat natürlich jeder Anmelder den verständlichen Wunsch, fehlerfreie Rechercheprodukte sowie ein fehlerfreies Prüfungsergebnis zu erhalten. Erschwerend kommt für den Anmelder hinzu, dass er die Praxis des EPA nur äußerst mittelbar beeinflussen kann, nämlich durch seine Anmeldungsunterlagen und seine Eingaben (mit oder ohne Änderungen der Anmeldungsunterlagen) im Prüfungsverfahren. Anders gesagt müssen Anmelder auf eine hohe Qualität ihrer Patentanmeldungen achten, um dadurch (mittelbare) Fehler bei der Recherche und Sachprüfung durch das EPA zu vermeiden. Eine hohe Qualität der Patentanmeldung wird zudem in einem Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren den Interessen des Patentanmelders dienlich sein, um letztendlich seine Interessen durchzusetzen. Darüber hinaus müssen Anmelder auf eine hochwertige Vertretung im Prüfungsverfahren achten, sei es intern oder extern. Nur so können mögliche Fehler aus der Recherche identifiziert und diese in einer Art und Weise adressiert werden, die die Prüfungsabteilung zu einer Korrektur veranlasst. Zudem muss in Anbetracht der Qualitätskennzahlen ein Augenmerk darauf gelegt werden, zusätzliche Fehler im Prüfungsverfahren zu verhindern.