Anti-Korruptionsmaßnahmen, Compliance-Maßnahmen u.a. zur Abwendung von aktiver und passiver Korruption, vertragliche Pflichten zur Einführung von Compliance-Management-Systemen und die Aufdeckung von Gesetzesverstößen durch Whistleblower sind in aller Munde. Ergänzend stellen sich im Unternehmensalltag weitere Fragen im Zusammenhang mit Compliance, die von nicht geringerer praktischer Relevanz sind und ebenfalls erhebliche Folgen für die eine oder andere Partei haben können.
Kündigungsmöglichkeit
Steht z.B. der Verdacht im Raum, ein von einem Unternehmen beauftragter Bevollmächtigter (z.B. ein Handelsvertreter) habe eine Korruption begangen, stellt sich die Frage, ob der Vertrag mit ihm gekündigt werden kann oder ggf. sogar gekündigt werden muss und ob Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können. Eine Bestechung durch einen Bevollmächtigten kann, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob ein Zusammenhang zwischen der Bestechung und dem gegenständlichen Vertrag besteht, inwieweit das außervertragliche Fehlverhalten auf den konkreten Vertrag durchschlagen könnte oder welchen Risiken der Geschäftsherr seinerseits durch die Bestechung seines Bevollmächtigten (z.B. Reputationsrisiken) ausgesetzt ist. Sogar der bloße Verdacht einer Korruption kann eine (Verdachts-)Kündigung rechtfertigen.
Da korruptes Verhalten des Bevollmächtigtem dem Geschäftsherrn zugerechnet und er dafür wie für eigenes Fehlverhalten haftbar gemacht werden kann, ist letzterer unter Umständen sogar verpflichtet, den Vertrag zu beenden.
Schadenersatzansprüche
Ergänzend dazu können dem Geschäftsherrn Schadenersatzansprüche gegen den Bevollmächtigten zustehen. Allerdings muss nach deutschem Recht die Partei, die Ansprüche geltend macht, die zugrundeliegenden Tatsachen beweisen. Dies bedeutet, dass der Geschäftsherr beweisen muss, dass der Bevollmächtigte z.B. eine Bestechung begangen hat. Ein solcher Beweis ist nur schwer möglich, da es sich bei einer Bestechung um ein sog. (im Verborgenen begangenes) Geheimdelikt handelt, und den jeweils Beteiligten ein Aussageverweigerungsrecht zusteht, da sie sich selbst strafbar machen könnten.
Beweiserleichterung im Prozess durch sekundäre Darlegungslast
In einem ähnlichen Fall hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 18. Januar 2018 entschieden, dass es ausreicht, wenn der Kläger hinreichende Anhaltspunkte dafür vorlegt, dass der Bevollmächtigte eine Schmiergeldabrede getroffen hat. Ein Vollbeweis der Schmiergeldabrede ist demnach nicht notwendig. Stattdessen überträgt der BGH dem Beklagten, also dem Bevollmächtigten, eine sekundäre Darlegungslast: Es obliegt dann dem Beklagten, das Gegenteil zu beweisen. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, läuft er Gefahr, zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt zu werden.
Diese Entscheidung fügt sich ein in eine ganze Reihe von Entscheidungen, in denen der BGH der sekundären Darlegungslast zu immer mehr Bedeutung verhilft: Wenn eine Partei naturgemäß keinen Einblick in behauptete Vorgänge hat (wie es z.B. bei einer Bestechung der Fall ist), dann werden die Anforderungen an ihre Beweislast reduziert. Sie genügt ihrer Beweispflicht, wenn sich aus ihrem Vortrag hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihr vorgetragenen Tatsachen ergeben. Dann genügt ein einfaches Bestreiten der Gegenseite nicht, vielmehr muss sie (im Rahmen des Zumutbaren) diesem Vortrag substantiiert und unter Beweisantritt entgegentreten. Dies reduziert die Hürden für Schadenersatzklagen wegen Bestechung und zeigt damit erneut die Bedeutung von Compliance-Management-Systemen zur Minimierung des Risikos, dass im Unternehmen Rechtsverstöße begangen werden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung auf Schadenersatzansprüche wegen anderer Compliance-Verstöße erweitert wird.