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Gratisaktion für Medizinprodukte – Kein Verstoß gegen das Verbot von Werbegaben nach § 7 Abs. 1 HWG bei vollständiger Erstattung des Kaufpreises

Im zugrundeliegenden Fall verlangte die Klägerin, gestützt auf §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG (Heilmittelwerbegesetz), Unterlassung der als wettbewerbswidrig beanstandeten Werbeaktion „Inkontinenzhöschen – GRATIS TESTEN“ der Beklagten.

Konkret versah die Beklagte die Verpackung ihres Medizinproduktes mit einem zusammengefalteten Aufkleber mit der Aufschrift „GRATIS TESTEN“. Im Inneren des Aufklebers fand sich eine Anleitung zur Erstattung des Kaufpreises nach Erwerb des Produktes durch Hochladen eines Fotos von Kassenbon und Aktionspackung auf der Internetseite der Beklagten, unter Angabe von Name, Anschrift und Bankverbindung. Danach sollte der Kaufpreis innerhalb von 14 Tagen erstattet werden.

Das Oberlandesgericht Köln (Urteil v. 17. Dezember 2021, Az. 6 U 91/51) bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts Köln (Urteil v. 25. Mai 2021, Az. 33 O 60/20) und wies die hiergegen gerichtete Berufung zurück.

Die Klägerin vertritt in der Berufung die Ansicht, die Beklagte könne sich nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG berufen, da die Geringwertigkeitsgrenze bei einem Kaufpreis von mindestens 8 EUR überschritten sei. Die weitere Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a HWG sei nicht einschlägig, weil der Verkehr nicht die Rückerstattung des Kaufpreises, sondern den Erwerb des Produktes als Zuwendung verstünde. Außerdem sei eine vollständige Kaufpreiserstattung von dieser Regelung nicht erfasst.

Das Oberlandesgericht sah hingegen keinen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG. Nach dieser Vorschrift ist es grundsätzlich unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Der Begriff Werbegabe ist dabei weit auszulegen und erfasst jede unentgeltliche Vergünstigung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Ware oder Dienstleistung. Die oben beschriebene Kaufpreiserstattung stellt zwar nach Ansicht des Land- und Oberlandesgerichts eine solche unentgeltliche Vergünstigung dar. Allerdings greife hier der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a HWG, demnach die Zuwendung oder Werbegabe zulässig ist, wenn sie in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt wird.

Die Kölner Gericht sahen im vorliegenden Fall somit nicht das Produkt an sich als den Zuwendungsgegenstand, sondern der unter den beschriebenen Voraussetzungen erstattete Kaufpreis. In der Konsequenz war der Ausnahmetatbestand für geringwertige Gegenstände gem. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG nicht einschlägig.

Maßgeblich ist insoweit, dass das Produkt zunächst vom Verbraucher vollständig bezahlt werden muss. Der Verbraucher versteht die Ankündigung des Aufklebers daher nicht als Abgabe des Produkts ohne Zahlung eines Entgelts. Auch sind dem Verbraucher vergleichbare Aktionen bekannt, so dass er die weiteren Informationen über die Bedingungen der Rückerstattung auf der Innenseite des Aufklebers berücksichtigen wird. Auch bezieht sich die Erstattung auf den vollständigen Kaufpreis des Produktes und damit auf einen „bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag“. Dem steht auch nicht entgegen, dass der vollständige Kaufpreis erstattet wird, denn der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a HWG sieht keine relative oder absolute Beschränkung der Höhe des Zuwendungsbetrags vor. Entsprechend scheitert nach der Ansicht des Oberlandesgerichts der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a HWG somit nicht an der Geringwertigkeitsgrenze des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG und steht auch nicht im Widerspruch zu dieser Regelung. 

Das Oberlandesgericht Köln schließt sich damit der Entscheidung des OLG Hamburg an, das zuvor einen vorangegangenen Verfügungsantrag zurückgewiesen hatte (Urteil vom 20. Juni 2019, Az. 3 U 137/18).

Die Entscheidung betrifft eine interessante und diffizile Abgrenzung zwischen den beiden Ausnahmetatbeständen zum grundsätzlichen Verbot von Werbegaben des § 7 Abs. 1 HWG und verdeutlicht die Komplexität bei der rechtlichen Beurteilung von Werbemaßnahmen für Arzneimittel und Medizinprodukte, insbesondere auch im Vorfeld der Planung solcher Werbeaktionen. Die Einholung von Rechtsrat ist hier dringend zu empfehlen.

Das vorliegende Urteil reiht sich in eine Liste von Entscheidungen ein, die die Anforderungen an die Bewerbung von entsprechenden Produkten durch pharmazeutischen Unternehmen erhöhen. Besondere Beachtung sollte dabei stets dem hier diskutierten Verbot von Werbegaben nach § 7 HWG gelten. Siehe auch die Beiträge vom 7. September 2021 zu „Pflichtangaben in der Arzneimittelwerbung“ sowie vom 14. April 2021 zu „Abgaben von Gratismustern an Apotheken gem. § 7 HWG“.

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

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Dr. Christian Meyer

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