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EPA: Neue Vorlage an die Große Beschwerdekammer – Nachgereichte experimentelle Beweise und Plausibilität; G 2/21

Die schon oft prognostizierte Vorlage an die Große Beschwerdekammer des EPA zu einem der am kontroversesten diskutierten Themen in EP-Patentangelegenheiten ist nun eingetreten. Die Beschwerdekammer in T 116/18 hat der Großen Beschwerdekammer drei Rechtsfragen zur Plausibilität und zu nachgereichten experimentellen Daten vorgelegt (G 2/21).

Die Vorlage erfolgt vor dem Hintergrund der langjährigen Praxis der Beschwerdekammern, experimentelle Daten für eine durch Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes definierte technische Wirkung zum Nachweis einer erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen, auch wenn diese Daten nicht Bestandteil der Anmeldung waren. Diese Praxis hat sich in Fällen entwickelt, in denen die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe gegenüber der ursprünglich in der Anmeldung genannten Aufgabe aufgrund des im Prüfungs- oder Einspruchsverfahren festgestellten Standes der Technik umformuliert werden musste.

Infolge dieser Praxis forderten einige Kammern, dass diese neuformulierte Aufgabe, obwohl sie auf bisher nicht zitiertem Stand der Technik beruhte, durch die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung dennoch zumindest plausibel gemacht werden müsse.

In T 116/18 bezeichnete die Kammer einen solchen durch die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung plausiblen technischen Effekt als „ab-initio-Plausibilität“. Die Kammer verweist auf einige andere Entscheidungen, in denen dieses Kriterium der ab-initio-Plausibilität für ungeeignet befunden wurde, weil kein Anmelder alle potentiell möglichen technischen Effekte im Vergleich zum (ihm möglicherweise unbekannten) Stand der Technik abdecken müssen sollte.

Die Kammer identifizierte ein weiteres Szenario, das sie als „ab-initio-Implausibilität“ bezeichnete. In diesem Szenario wäre zu fragen, ob aufgrund des allgemeinen Fachwissens Gründe für die Annahme bestehen, dass die behauptete technische Wirkung gerade nicht erreicht wird.

Die Kammer fragte sich auch, ob es angemessen sei, einer Einsprechenden zu gestatten, sich auf nachveröffentlichte Beweismittel zu berufen, wenn dies dem Patentinhaber im Zuge der Diskussion zur Plausibilität verweigert werden dürfte.

Der Großen Beschwerdekammer wurden die folgenden (in unseren eigenen Worten zusammengefassten) Fragen vorgelegt:

(1) Dürfen nachgereichte Daten außer Acht gelassen werden, wenn sie der einzige Beweis für eine technische Wirkung sind?

(2) Können nachgereichte Daten bei ab-initio-Plausibilität berücksichtigt werden?

(3) Können nachgereichte Daten bei ab-initio-Implausibilität berücksichtigt werden?

Es bleibt abzuwarten, ob die Vorlage zugelassen wird (schon wird in den Blogs diskutiert, ob sie unzulässig sein könnte, weil entgegen der Feststellung der Kammer weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch eine divergierende Rechtsprechung vorliegt) und wenn ja, welche Bresche die Große Beschwerdekammer durch das Dickicht der Plausibilitätsmeinungen schlagen wird.

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

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Autoren

Dr. Stefanie Parchmann

Partnerin

Patentanwältin

European Patent Attorney

Diplom-Chemikerin