In der Entscheidung T 1631/17 beschäftigte sich eine Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts mit dem Patentierungsverbot von chirurgischen Verfahren gemäß Artikel 53(c) EPÜ.
Das im Einspruchsverfahren widerrufene Patent EP 1 901 676 B1 beanspruchte ein Verfahren zur Herstellung von Zahnersatzteilen aus zwei Abformungen 1 und 2 des Gebisses eines Patienten durch Eingießen eines härtbaren Materials in die Abformung 1 und Herausdrücken des überschüssigen Materials mit der Abformung 2. Die Abformung 1 sollte von einem durch einen Zahnarzt am Patienten provisorisch nach Belieben modellierten Gebiss abgenommen werden, die Abformung 2 nach Entfernen des Provisoriums von den beschädigten Zähnen.
Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die zahnärztliche Behandlung abgetrennt vom beanspruchten Verfahren stattfinde, also beide Abformungen bereits vorlägen, wenn das Verfahren zur Herstellung der Zahnersatzteile beginne. Die Anwesenheit des Patienten sei somit nicht erforderlich. Analog seien auch Verfahren zur Analyse von Blutproben der Patentierung zugänglich.
Die Kammer betonte, dass auch das Vorliegen eines impliziten Verfahrensschrittes für einen Ausschluss von der Patentierung ausreiche. Dabei sei zu prüfen, ob auch bei Weglassen dieses Schritts aus dem Anspruch alle wesentliche Erfindungsmerkmale im Anspruch genannt seien (G 1/04).
Die Kammer befand, dass die Präparation der Zähne für die beiden Abformungen räumlich und zeitlich innerhalb des beanspruchten Verfahrens lägen. Das Herauslösen dieser (chirurgischen) Verfahrensschritte aus dem Anspruch resultiere im Fehlen der für das Verfahren essentiellen Abformungen. Ohne Beanspruchung dieser Schritte sei die Erfindung somit nicht vollständig.
Folglich sollte bei jeder Anmeldung kritisch geprüft werden, ob Ansprüche vorliegen, die einen oder mehrere chirurgische Verfahrensschritte – auch implizit – umfassen, und ggf. nach Alternativen für diese Schritte gesucht werden. Nutzt ein Verfahren ein oder mehrere Erzeugnisse einer komplexen ärztlichen Tätigkeit, könnte es unter das Patentierungsverbot des Art. 53(c) EPÜ fallen.